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Marderhund (Nyctereutes procyonoides)

Aktualisiert am: 27.03.2023
EU-Code:

Marderhund
Marderhund
© Foto: G. Steinborn

Aussehen und Verwechslungsmöglichkeiten

Der Marderhund ist neben dem Eisfuchs der kleinste Vertreter der Familie der Hundeartigen in Europa. Er gleicht aufgrund seiner Größe und dem graubraunen, langhaarigen Fell kaum einem Marder, eher einem Waschbären (Raccoon dog, Waschbärhund, Nyctereutes procyonoides!) oder Dachs. Von diesen unterscheidet sich die Art durch eine dunkle Gesichtsmaske, die zwischen den Augen durch einen meist deutlichen hellen Streif unterbrochen ist, sowie durch den ausgeprägten Backenbart. Die Ohren sind recht kurz und der dicke, nicht besonders lange Schwanz ist ungezeichnet. In der kalten Jahreszeit wirkt der dann sehr fette Marderhund mit seinem dicken, zottigen Pelz und dem geradem Rücken wie eine Walze.

Ob Marderhunde sicher an ihrer Spur nachzuweisen sind, erscheint fraglich. Die Abdrücke der Zehenballen eines Fuchses oder kleinen Hundes können in weichem Schlamm ebenfalls gespreizt sein – so wie es für den Marderhund beschrieben wird.

Maße: Kopfrumpflänge 55 –70 cm, Schwanz 17-28 cm, Gewicht im Mittel 5-6kg, herbstliche Maximalgewichte bis 11kg.

Biologie

Marderhunde sind „Gemischtköstler“, die ihre Nahrung meist sammelnd finden. Diese ist sehr vielfältig und unterscheidet sich je nach Gegend und Jahreszeit. In Polen können Insekten und Amphibien während des Frühlings und Sommers die Hälfte der Nahrung ausmachen, im Winter spielen Kleinsäuger (auch Spitzmäuse und Maulwürfe) sowie Vögel eine größere Rolle. Fische in austrocknenden Gewässern werden gerne gefressen. Pflanzen machen etwa ein Drittel der Nahrung aus und ihr Anteil ist im Herbst besonders hoch. Als Opportunist werden auch Abfälle und Aas aufgenommen. Belegt ist ferner, dass Marderhunde in Möwenkolonien zu Eierräubern wurden (NOWAK 1993). Eine umfangreiche Untersuchung in Mecklenburg-Vorpommern ergab: Amphibien und Fische 31%, Vögel 14 %, Säugetiere 9%, Wirbellose Tiere 6%, Aas 27%, Pflanzen incl. Obst und Mais: 16% (STURZEIS).

Der Marderhund ist überwiegend nachtaktiv, aber in abgeschieden Gegenden kommt er auch schon mal bei Tageslicht zum Vorschein.

Marderhunde können in Gebieten mit kalten Wintern eine hin und wieder unterbrochene Winterruhe halten, während der die Körpertemperatur nicht merklich absinkt. Im klimatisch günstigen Mitteleuropa bleiben die meisten Tiere auch in der kalten Jahreszeit aktiv (NOWAK 1993, SPITZENBERGER 2001).

Nach einer Tragzeit von gut 60 Tagen werden, meist im April, etwa 6 bis 7 Welpen geboren. Deutlich größere Würfe kommen vor.

Diese hohe Geburtenrate entspricht sicherlich den für diese Art geltenden, erhöhten Mortalitätsfaktoren in der Natur, sie ist aber auch die Grundlage für das enorme Ausbreitungspotential, das die Art in Europa entwickelt hat.

Das Höchstalter von Marderhunden in der Natur beträgt 6 bis 7 Jahre.

Im Fernen Osten wurden Populationsschwankungen mit Phasen von 9 bis 11 bzw. von 15 bis 20 Jahren beobachtet (NOWAK 1993). Natürliche Bestandsregulative dürften Krankheiten und Parasitenbefall sowie ungünstige Witterung, besonders extreme Winter, sein. Größeren Raubtieren fallen Marderhunde in ihrer Heimat schon mal zum Opfer. In Europa ist es hauptsächlich der Mensch, der die Zahl der Marderhunde begrenzt. Außer durch die Jagd kommen viele Marderhunde durch den Straßenverkehr zu Tode, in Osteuropa werden sie auch häufig von Hunden getötet.

Herkunft und Einwanderungsweg

Stammesgeschichtliche Vorläufer des Marderhundes lebten zu Beginn des Eiszeitalters auch in Europa (KURTÉN 1968, NOWAK 1993), heute kommt die Art natürlicherweise nur noch in Ostasien vor, wobei sich das Verbreitungsgebiet vom winterkalten Ostsibirien bis in den tropischen Norden Vietnams erstreckt.

Wohl aus dem sibirischen Teil seines Verbreitungsgebietes wurden Marderhunde ab 1928, verstärkt zwischen 1949 und 1955, in weiten Bereichen des europäischen Teils der ehemaligen Sowjetunion angesiedelt, um so leichteren Zugriff auf dieses Pelztier zu haben. Von hier breitete sich die Art nach Skandinavien, in den Süden bis ins Donaudelta und nach Westen aus. Anfang der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts erfolgten die ersten Nachweise in Deutschland (Niedersachsen, Bayern, Brandenburg; STUBBE 1989). In Mecklenburg-Vorpommern und in Brandenburg leben Marderhunde in geeigneten Lebensräumen inzwischen in beachtlicher Zahl. So wurden in Brandenburg bereits im Jagdjahr 1999/00 alleine 2500 Marderhunde erlegt. Die rasche Ausbreitung beruht sicherlich auch darauf, dass Marderhund weit umher streifen, sogar nachweislich Strecken bis 400 km überwunden haben und schließlich Gewässer für sie keine Hindernisse darstellen (NOWAK 1993). Sicherlich gehen einzelne Feststellungen in Deutschland auch auf Tiere zurück, die aus Haltungen entkommen sind. In Deutschland hat der Marderhund als Pelztier im Gegensatz zur Nutria keinen besonderen wirtschaftlichen Wert, zumal die Qualität seines Pelzes, der oft unter dem Namen „Seefuchs“ gehandelt wurde, unter der eines Fuchspelzes liegt (LINDEROTH 2005).

Bis Mitte der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gab es keine Nachweise der Art in NRW. Wann hier zum ersten mal ein Marderhund sicher festgestellt wurde, ist unklar. Erst aus den 90er Jahren gibt es verlässliche Meldungen, so aus dem Kreis Steinfurt. Auch aus dem Märkischen Kreis, den Kreisen Borken, Coesfeld und Viersen liegen gesicherte Feststellungen vor. In den Jagdstrecken Ostwestfalens taucht die Art in diesem Zeitraum gleichfalls auf, und mehrfach wurden inzwischen Marderhunde in den Kreisen Paderborn und Höxter zweifelsfrei beobachtet. Im Jagdjahr 2007/08 wurden in NRW 23 Marderhunde einschließlich Straßenopfern gezählt (LJV 2008). Bei diesen Meldungen, wie auch bei Antworten zu Umfragen in der Jägerschaft zum Vorkommen dieses Raubtieres (Abb. 1, DJV 2006) muss allerdings auch mit Verwechslungen gerechnet werden. Angesichts des geringen Kenntnisstandes über den Marderhund in NRW ist es wünschenswert, dass Feststellungen, ob Straßentod, Jagdbeute oder Beobachtung, mit Fotos dokumentiert und dem LANUV oder den naturkundlichen Museen im Lande gemeldet werden.

Während man 1996 in den Niederlanden den Marderhund noch nicht kannte, liegen inzwischen aus den an NRW angrenzenden Teilen des Nachbarlandes eine Reihe von Feststellungen von meist überfahrenen Tieren vor (OERLEMANS & KOENE 2008).

Lebensraum

Sumpfige und nasse Wiesen mit Gehölzkomplexen, verschilfte Ufer von Gewässern, die besonders in naturnahen Teich- und Auenlandschaften gegeben sind, werden von Marderhunden als Lebensraum bevorzugt. In feuchten Laub- und Mischwäldern kommt er gleichfalls vor. Weniger gern hält er sich in geschlossenen (Nadel-) Forsten oder in ausgeräumten Feldfluren auf. Diese Ansprüche bedeuten ein nur inselartiges Vorkommen der Art in Westdeutschland (NOWAK 1993).

Zum Ruhen und zur Jungenaufzucht werden gerne verlassene Dachs- und Fuchsbaue oder andere geeignete Verstecke genutzt, seltener selbstgegrabene, einfache Röhren.