Spätblühende Traubenkirsche (Prunus serotina)
Aktualisiert am: 27.03.2023
EU-Code:
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Prunus serotina, Fruchtstand
© Foto: A. Jagel
Aussehen und Verwechslungsmöglichkeiten
Die Späte Traubenkirsche wächst in Deutschland überwiegend als Strauch, seltener als kleiner Baum von 10 bis 20 m Höhe, auch in ihrer Heimat wird sie in der Regel nicht größer als 30 m. Von den in Deutschland heimischen Prunus-Arten ähnelt sie aufgrund ihrer traubigen Blütenstände am ehesten der Gewöhnlichen Trauben-Kirsche (Prunus padus). Diese blüht früher im Jahr, worauf sich der Name Prunus serotina, "Späte" Traubenkirsche bezieht. Die etwa 5-12 cm langen, zugespitzten, deutlich gekerbten und ledrigen Blätter der Späten Traubenkirsche unterscheiden sich schon durch ihren starken Glanz von denen anderer Prunus-Arten. Sie sind oberseits kräftig grün, die Unterseite ist heller. Besonders charakteristisch aber ist ihre Behaarung: Auf der Blattunterseite befindet sich im unteren Teil beiderseits der Mittelrippe ein zunächst weißlicher, später brauner, dichter Haarfilz. Die Blätter treiben erst spät aus und bleiben im Herbst lange erhalten. Die weißen, duftenden Blüten öffnen sich nach der Laubentfaltung Ende Mai oder Anfang Juni. Sie stehen zu etwa 30 in 6-15 cm langen, walzenförmigen, aufrechten, später überhängenden Trauben. Die kleinen, ca. 8-10 mm großen Kirschen reifen im Spätsommer. Sie gehen während der Reife von grün in schwarzrot über und sind zur Vollreife Ende August bis September schwarz. Im Unterschied zu anderen Prunus-Arten bleiben an der Basis der Frucht Blütenbecher und Kelch erhalten.
Aufgrund des typischen Glanzes der Blätter, ihrer Behaarung entlang der Mittelrippe und des bleibenden Kelches ist die Späte Traubenkirsche mit keiner anderen Prunus-Art zu verwechseln.
Biologie
Die Späte Traubenkirsche ist außerordentlich schnellwüchsig und kann als freistehende Pflanze schon ab dem 7. Jahr blühen, weswegen sie sich schon sehr früh über Früchte weiter ausbreiten kann. Als Strauch oder kleiner Baum unterhalb einer geschlossenen Kronenschicht beginnt sie allerdings nach etwa 20 Jahren zu fruchten (STARFINGER 1990). Reife Pflanzen fruchten regelmäßig und sehr reichlich. Die Fernausbreitung der Früchte erfolgt durch Vögel, wobei die Samen nach Passage des Vogeldarms nachgewiesenermaßen eine höhere Keimfähigkeit erlangen als ohne (FLORAWEB). Aber auch vom Baum direkt auf den Boden fallende Früchte keimen gut. Die Früchte werden darüber hinaus von einigen Säugetieren (Fuchs, Marder, Wildschwein, Damwild) gefressen und ausgebreitet (KOWARIK 2003). Im Boden können Samen bis zu 5 Jahre keimfähig bleiben (WENDEL 1977). Neben der generativen Ausbreitung hat die Späte Traubenkirsche nach Verletzung eine hohe vegetative Regenerationsfähigkeit. Abgeschlagene Stämme zeigen guten Stockausschlag und verschleppte Wurzelfragmente sind in der Lage, sich wieder zu einer vollständigen Pflanze zu regenerieren. Die Etablierung neuer Bestände ist im Wesentlichen lichtabhängig. Die Art ist frosthart und nicht spätfrostempfindlich.
Herkunft und Einwanderungsweg
Die Heimat der Späten Traubenkirsche liegt im Osten Nordamerikas und reicht vom Süden Quebecs in Kanada bis nach Florida im Südosten und Minnesota im Westen. Ihr Optimum erreicht sie in Pennsylvania auf tiefgründigen, nährstoffreichen Böden bei Jahresniederschlägen um 1000 mm, während sie in trockeneren Regionen nur strauchförmig wächst.
Als Zierpflanze gelangte die Späte Traubenkirsche als eine der ersten amerikanischen Baumarten überhaupt bereits 1623 nach Europa (Paris). 1685 wurde sie das erste Mal für Deutschland erwähnt. Lange Zeit wurde sie nur als Zierpflanze verwendet. Noch heute gilt sie als attraktives Ziergehölz in Gärten und Parks und findet Verwendung als Straßenbaum, Bienenweide und aufgrund der sehr reichlichen Fruchtbildung als Vogelnährgehölz. Ende des 19. Jahrhunderts wurden verstärkt verschiedene fremdländische Gehölze forstlich getestet und dabei in Deutschland vereinzelt auch Prunus serotina angebaut. Man erhoffte sich, dass die Art auf armen sauren Sandböden hohe Erträge des sehr wertvollen Holzes bringen würde. Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts stellte sich aber heraus, dass die europäischen Exemplare der Späten Traubenkirsche aufgrund der geringeren Niederschlagsmengen den nordamerikanischen in Größe und Qualität unterlegen waren und in der Regel nur strauchförmig wuchsen. Daraufhin setzte man die Art vermehrt zu anderen Zwecken ein: Aufgrund ihrer Schnellwüchsigkeit wurde sie als Bodenschutzgehölz, zur Dünenbefestigung, zur Aufforstung von Heideflächen und als Wind- und Brandschutz an den Rändern von Kiefernforsten gepflanzt. In Deutschland erfolgten Anpflanzungen noch mindestens bis Anfang der 1980er Jahre (KOWARIK 2003) Außerdem erhoffte man sich dadurch die Verbesserung magerer Böden aufgrund eines niedrigen C/N-Verhältnisses der Blätter, wodurch eine Produktivitätssteigerung der Nadelholzstandorte erreicht werden sollte, was aber nach neueren Untersuchungen zweifelhaft ist (RODE et al. 2002). Darüber hinaus wurde die Art zur Aufforstung von Freiflächen benutzt, wodurch wegen der schnellen Bodenbedeckung konkurrierende Pflanzen unterdrückt werden sollten. Von den Anpflanzungen ausgehend breitete sich die Späte Traubenkirsche zunehmend in Wälder aus und bildete dort eine dichte Strauchschicht, zusätzlich griff sie zunehmend auf angrenzendes Offenland über. Besonders in den Sandgebieten Deutschlands ist die Art heute fest eingebürgert.
Lebensraum
In ihrer Heimat wächst die Späte Traubenkirsche auf einer Vielzahl unterschiedlicher Standorte, meidet aber staunasse Standorte und Lebensräume mit lang anhaltender Überflutung wie Auen. In Mitteleuropa wurde sie überwiegend in bodensaueren Bereichen gepflanzt, von denen sie aus verwilderte. Einerseits breitet sie sich besonders häufig in lichten Kiefern- und Lärchenforsten aus, andererseits aber auch in natürlichen lichten Waldgesellschaften wie Eichen-Birken-Wäldern und an Waldrändern oder in Hecken. Insbesondere durch Vogelausbreitung gelangt sie außerdem in angrenzende offene Biotope wie z. B. Heidegebiete. Weitere besiedelte Lebensräume befinden sich im urbanen Raum, wo die Art als Zierpflanze angepflanzt wird und von dort aus eigenständig in Waldstücke und auf Brachflächen verwildert.
Verbreitung in Nordrhein-Westfalen
Im 19. Jahrhundert fehlte die Späte Traubenkirsche in Nordrhein-Westfalen noch weitgehend und wurde erst Anfang des 20. Jahrhunderts gelegentlich gepflanzt. Als Forstbaum spielte sie dabei wohl kaum eine Rolle, wurde allerdings z. B. in der Senne als Brandschutz an Forsträndern gepflanzt. Erste Verwilderungen wurden etwa in den 1960er Jahren beobachtet. Eine verstärkte Ausbreitung geschah dann in den 1970er Jahren insbesondere auf nährstoffarmen Sandböden im nordrhein-westfälischen Tiefland, wo die Art heute als Agriophyt in der Senne, im Münsterland und am Niederrhein überall eingebürgert ist (HAEUPLER et al. 2003). Sie bildet dort die Strauchschicht in vormals lichten Kiefernforsten, wächst aber auch in gefährdeten Waldgesellschaften wie dem Birken-Eichen-Wald (Betulo-Quercetum), hier besonders in den bodenfeuchten Subassoziationen molinietosum und alnetosum (WITTIG 1979). Im Eichen-Buchen-Wald (Lonicero-periclymeni Fagetum) spielt sie eine geringere Rolle. Darüber hinaus wächst sie häufig in Waldmantel- und Pioniergebüschen und dringt in Heide- und Moorgebiete sowie Sandmagerrasen und Feuchtgebiete ein. Aufgrund vielfacher Pflanzungen als Ziergehölz ist die Art heute aber auch außerhalb der Sandgebiete in allen Großlandschaften Nordrhein-Westfalens lokal eingebürgert, wobei sie im Bergland insgesamt seltener ist (HAEUPLER et al. 2003).