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Nutria (Myocastor coypus)

Aktualisiert am: 27.03.2023
EU-Code:

Nutria (Myocastor coypus), Jungtier
Nutria (Myocastor coypus), Jungtier
© Foto: C. Michels

Aussehen und Verwechslungsmöglichkeiten

Die Nutria gehört wie der Biber und der Bisam zu den Nagetieren. Sie ist annähernd hasengroß und erreicht ein Gewicht von 3 – 9 (durchschnittlich 6) kg. Der Körper wird 40 – 65 cm lang, hinzu kommt der Schwanz von 30 bis 45 cm Länge. Von Größe und Gewicht liegen Nutrias zwischen Bisam (deutlich kleiner) und Biber (deutlich größer als Nutrias). Die plumpe Gestalt erinnert an die des Bibers. Bei flüchtigem Hinsehen, insbesondere im Wasser, kann die Nutria deshalb mit dem Biber verwechselt werden. Unterscheidungsmerkmal ist vor allem der rundliche Schwanz, der spärlich mit Haaren bewachsen ist, während die Biberkelle breit und abgeflacht ist. Die Nutria hat meist ein gelbbraun-schwärzliches Fell (durch Zucht kommen jedoch Farbvariationen von grau, silber, dunkelbraun, schwarz etc. vor) aus langen Grannenhaaren, unter den Grannenhaaren wächst graue, sehr feine Unterwolle. Die Füße haben 5 Zehen, zwischen den 4 inneren Hinterzehen wachsen Schwimmhäute. Auffällig sind die orangefarbenen Schneidezähne und die zahlreichen leuchtend grau-weissen Tasthaare an der Schnauze.

Biologie

In der Ernährung ist der Pflanzenfresser sehr flexibel: neben allen unterirdischen und oberirdischen Pflanzenteilen, zum Beispiel von Schilfrohr und Rohrkolben, werden auch Feldfrüchte gefressen. Im Winter werden auch Teile von Gehölzen (z.B. Weidenrinde) verzehrt. Nutrias suchen kaum weiter als 50 m vom Wasser entfernt Nahrung, führen jedoch mitunter für ein bis mehrere Tage (Wochen) auch Ausflüge durch, die zum Teil mehrere Kilometer vom Hauptruheplatz wegführen (Stubbe 1982). Die Nutria gräbt sich einfache Erdbaue in Uferböschungen oder baut alte Bisambaue aus. Nutriabaue bestehen aus einem Wohnkessel und einer 1-6 m langen und bis zu 3 m tiefen, meist unverzweigten Erdröhre (Durchmesser 40-60 cm). Die Eingänge liegen im Gegensatz zu Biber und Bisam stets über dem mittleren Wasserspiegel. Im Durchschnitt werden jährlich 2 Würfe mit meist 5 Jungen zur Welt gebracht. Nutrias erreichen in Gefangenschaft ein Alter von bis zu 12 Jahren, die Lebenserwartung im Freiland beträgt 3-4 Jahre (max. 6). Die Empfindlichkeit gegen Winterkälte und Frost beschränkte bisher die Ausbreitung in Nordrhein-Westfalen. In strengen Wintern kommt es zu erheblichen Bestandsrückgängen (Pelz et al. 1997) bis hin zum Erlöschen lokaler Populationen. Überlebende Tiere weisen Erfrierungen an Zehen und Schwänzen auf (Klemann 2001).

Herkunft und Einwanderungsweg

Die Heimat der entfernt mit den Meerschweinchen verwandten Nutria ist Südamerika. Schon im 19. Jahrhundert kamen Zuchttiere für Pelztierfarmen nach Europa. In Deutschland wurden Nutrias 1926 eingeführt. 1927 wurden bereits freilebende Tiere beobachtet. Auch in Nordrhein-Westfalen entstanden zahlreiche Nutria-Farmen. Bis 1984 existierten allein im Landesteil Westfalen 49 Farmen. Eine Vielzahl von Nutria-Einzelnachweisen wurde seit Ende des 2. Weltkrieges vor allem in der Umgebung solcher Zuchtanlagen erbracht (entwichene bzw. freigelassene Tiere) (Rehage 1984). Ab Mitte der 1980er Jahre wurden wegen der stark gesunkenen Pelznachfrage zahlreiche Farmen aufgegeben (1997 war nur noch eine gewerbsmäßige Nutriahaltung in Westfalen registriert [Pelz 1997]). Insbesondere nach Auflösungen von Pelztierzuchten oder durch Freisetzungaktionen von Tierschützern gelangten immer wieder größere Anzahlen von Tieren in die Freiheit. Lokal wurden auch Tiere zwecks Schilfdezimierung und zur Hebung der Fischereierträge in Teichen gezielt ausgesetzt (so 1929-1930 im Teichgut Hausdülmen, 1953 in der Anholter Schweiz) (Rehage 1984).

Lebensraum

Die Nutria lebt überwiegend semiaquatisch (ufergebunden) an fließenden und an stehenden Gewässern in offener Landschaft. Altarme mit guter Wasserqualität werden offenbar bevorzugt, ebenso (Fisch-)Teiche mit reicher Röhrichtvegetation. Bezüglich ihres Lebensraumes und des Nahrungsspektrums ist die Nutria insgesamt flexibel und anpassungsfähig. In den neu besiedelten Gebieten Europas hat die Art aufgrund ihrer Größe kaum Konkurrenz zu befürchten. Ausgewachsene Tiere fallen gelegentlich Hunden zum Opfer, Jungtiere z.B. auch Füchsen und Greifvögeln (DVWK 1997).

Verbreitung in Nordrhein-Westfalen

Nach einer Serie milder Winter konnte sich die Nutria in Nordrhein-Westfalen vermehren und ausbreiten. Die Art hat sich inzwischen im Flachland v.a. an allen größeren Gewässern angesiedelt, kleine Gräben werden weniger besiedelt. Relativ wenige Hinweise gibt es aus den höheren Regionen des Landes. Aktuell existieren stabile Vorkommen z.B. am gesamten Niederrhein, im Rur-System, an Wurm und Erft, im westlichen Ruhrgebiet (DU, MH), im Europareservat "Rieselfelder Münster" sowie in den Kreisen Steinfurt und Warendorf im Bereich des Emssystems (Bestand dort seit 1987, vermutlich aus Farm-Auflösung bei Telgte [Pelz et al 1997]). Die Bestandsentwicklung der Nutria verlief jedoch nicht kontinuierlich aufwärts: Ein Teil der sich nach dem 2. Weltkrieg in Nordrhein-Westfalen entwickelnden kleineren oder größeren Kolonien erlosch v.a. nach kalten Wintern wieder (Stubbe 1982, Rehage 1984). Während größere Bereiche im Rheinland seit mindestens 40 Jahren beständig besiedelt sind und im Rheinland seit wenigstens 15 Jahren flächendeckend Nutrias beobachtet werden, bestanden in Westfalen lange Zeit nur temporäre Vorkommen – so hielten sich z.B. Populationen im Weserraum (Krs. Höxter - Einzugsgebiete von Nethe, Emmer und Diemel) sowie im Lipperaum um Haltern und Dülmen in der Nähe von Zuchtfarmen oder Freigehegen nur etwa zwischen den 1950er und 1980er Jahren (Pelz 1997), ein 1950 entstandenes Vorkommen im Ruhrraum zwischen Witten und Hattingen erlosch 1970 wieder (Rehage 1984). Seit Ende der 1980er Jahre hat sich jedoch auch im Münsterland (v.a. Kreise Steinfurt und Warendorf) sowie an Lippe und Ruhr eine größere, stetig anwachsende Population der Art etabliert. Gesicherte Bestandsdaten, die eine Abschätzung der aktuellen Populationen ermöglichten, existieren nicht. Die Art ist inzwischen ein fester Bestandteil der heimischen Fauna.