Bisam (Ondatra zibethicus)
Aktualisiert am: 27.03.2023
EU-Code:
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Bisamratte, Ondatra zibethicus
© Foto: H. Vierhaus
Aussehen und Verwechslungsmöglichkeiten
Dieses fast kaninchengroße Nagetier trägt seinen Namen wegen eines Sekretes, das als Grundlage für die Parfümherstellung verwendet werden könnte. Diese intensiv riechenden Substanz gleicht dem Zibet und dem Moschus anderer Säugetiere, worauf der wissenschaftliche Name und die amerikanische Bezeichnung „Muskrat“ beruht. Die Bisamratte gehört nicht in die Verwandtschaft von Wander- und Hausratte, sondern in die der Wühlmäuse.
Sie besitzt einen annähernd körperlangen, nackten Schwanz, der seitlich abgeplattet ist. Die Färbung des weichen Fells ist oberseits ein warmes, ins rötliche spielendes, dunkles Braun, das zum Bauch hin heller bis grau-weißlich wird. Der Kopf zeichnet sich durch eine Trennung der dunkleren Oberseite gegenüber den helleren Wangen aus. Schwärzlinge treten besonders im Rheinland hin und wieder auf.
Durchschnittliche Maße erwachsener Tiere in Westfalen: Kopf-Rumpflänge: knapp 30 cm; Schwanzlänge: 22 – 23 cm, Gewicht: Mittelwert etwa 900 g, max. 1320 g (PELZ 1984).
Bisamratten könnten mit anderen im oder am Wasser lebenden Nagern verwechselt werden. Schermäuse sind erheblich kleiner, sie erreichen nicht einmal Rattengröße, Nutrias mit rundem Schwanz sind wesentlich größer, haben eine höhere, kantige Schnauze mit kräftigen, weißen Barthaaren und das struppig wirkende Fell ist eher graubraun. Biber sind sehr groß, wiegen weit mehr als 10 kg und sind an Land durch den breiten, platten Schwanz unverwechselbar. Bei schwimmenden Bisams sind die seitlichen Ruderbewegungen des Schwanz oft zu erkennen; Verwechselungen mit schwimmenden Wanderratten, amerikanischem Nerz (Mink) oder gar mit dem Fischotter kommen vor (ALLGÖWER 2005, HEIDECKE & SEIDE 1989).
Biologie
Bisamratten sind vorzugsweise nacht- und dämmerungsaktiv, können aber immer wieder auch tagsüber beobachtet werden, etwa wenn sie kleinere Gewässer durchschwimmen oder am Ufer fressen. Zum Ruhen und zur Jungenaufzucht werden an geeignetem Ufer Erdbauten gegraben, deren Zugang fast immer unter Wasser liegt. An Seen und Teichen mit breiten Verlandungszonen schichten Bisamratten Burgen auf, die bis zu einem Meter aus dem Wasser ragen können und manchmal noch in 1 m tiefen Wasser angelegt werden. Das Baumaterial sind Pflanzen aus der Umgebung, sodass in Verbindung mit den Folgen der Nahrungsaufnahme hier vegetationsfreie Zonen entstehen können.
Die Fortpflanzungsperiode erstreckt sich etwa vom März bis in den September, während der es zu zwei, oft auch drei Würfen kommt. Unter günstigen Bedingungen werden bis zu 9 Jungtiere geboren. Bisamratten des ersten Wurfes im Jahr können im selben Jahr schon am Fortpflanzungsgeschehen teilnehmen. Dieses Verhalten erklärt das hohe Reproduktionspotenzial der Art und ihre schnelle Expansion in Mitteleuropa während des 20. Jahrhunderts.
Bisamratten fressen fast ausschließlich Pflanzen, so etwa Rohrkolben, Schilfrohr und andere Arten der Uferzone, wobei die basalen Teile und Wurzeln dieser Pflanzen besonders gerne gefressen werden. Die abgebissenen Stängel und Blätter treiben dann auf dem Wasser und verraten die Tätigkeit des Bisams. Auch Schwimmblattpflanzen werden gerne genommen, ferner Gräser, Getreide, Mais sowie Fallobst auf gewässernahen Flächen. Zur tierischen Nahrungskomponente zählen Großmuscheln, Flussperlmuschel, Dreikantmuschel, Krebse und Insekten. Großmuscheln können gelegentlich ein bedeutender Nahrungsbestandteil sein, wovon Ansammlungen der leer gefressenen Muschelschalen zeugen. Besonders Füchse sind als Raubfeinde des Bisams nachgewiesen, auch von Uhus wird sie hin und wieder geschlagen. Auch Hechte sowie Waschbären können junge Bisamratten erbeuten (HEIDECKE& SEIDE 1989, ALLGÖWER 2005). Auf Bisamratten eingestellte Beutegreifer können bestandsregulierende Wirkung haben (HEIDECKE & SEIDE 1989). Der in seiner Heimat im besonderen Maße auf diesen Nager eingestellte Mink oder Amerikanische Nerz spielt in NRW bislang keine Rolle. Anhaltendes Hochwasser sowie Trockenheit in den Lebensräumen können bestandsregulierende Wirkung haben. (PIETSCH 1982, ALLGÖWER 2005, HEIDECKE & SEIDE 1989, HAUSSER1995).
Ernstzunehmende Konkurrenten hat die Bisamratte in Deutschland nicht, denkbar wären nur Nutrias sowie an Gewässern lebende Wanderratten.
Herkunft und Einwanderungsweg
Die Heimat der Bisamratte ist Nordamerika. Hier ist sie von den subtropischen Südstaaten der USA bis über weite Teile Kanadas und Alaskas verbreitetet.
1905 wurden bei Prag Bisamratten, die aus dem östlichen Kanada stammten, ausgesetzt. Sie bildeten den wesentlichen Grundstock der heute in Mitteleuropa lebenden Tiere. Aufgrund weiterer absichtlicher oder versehentlicher Ansiedlungen kommt die Bisamratte heute in weiten Teilen Eurasiens vor, in Europa fehlt sie nur auf der Iberischen Halbinsel, in Italien, dem südlichen Balkan, großen Teilen Skandinaviens sowie auf den Britischen Inseln (MITCHELL-JONES et al. 1999).
Bereits 1914 erreichte die Bisamratte Deutschland und 1960 wurden die ersten nordrhein-westfälischen Tiere an der Nethe im Kreis Höxter gemeldet. Im folgenden Jahrzehnt gelang es dann der Art von Osten nach ganz Westfalen vorzudringen. Die Besiedlung des linksrheinisches Gebietes wie auch des Einzugsbereichs der Sieg dürfte im wesentlichen auf Gründerpopulationen in Frankreich und Belgien zurückgehen, wofür u. a. der hohe Anteil an Schwärzlingen in diesen Teilen NRWs spricht (PELZ 1984). Bereits 1972 kam die Bisamratte in ganz NRW vor, wenn auch nicht an allen geeigneten Gewässern und in nur geringer Dichte. Durch die amtlich angeordneten Bekämpfungsmaßnahmen wurden in Westfalen bereits 1975 fast 41.000 Bisamratten gefangen bzw. erlegt, eine Zahl die in den folgenden Jahren nicht mehr erreicht wurde. In dem inzwischen voll etablierten Bestand der Art in NRW rechnet man mit einer Dichte von 0,5 – 5 Tieren pro Quadratkilometer (PELZ 1984, PIETSCH 1982, HOEVE & WIJLAARS 1992).
Lebensraum
Die Bisamratte lebt semiaquatisch bzw. amphibisch an und in Gewässern mit reichlichem und konstantem Pflanzenbewuchs: größeren Teichen, Gräften, Fischzuchtanlagen, Seen, Flüssen und nicht zu schnell fließende Bächen, deren Wasserstand nur geringen Schwankungen unterliegt. Die Gewässer müssen hinreichend tief sein, um ein (Weg-) Tauchen zu ermöglichen. Bisamratten können sich längere Zeit auch an trocken gefallenen Teichen oder Bächen aufhalten und Wanderungen insbesondere im Frühjahr und Herbst über gewässerfreie Flächen sind nicht ungewöhnlich, wie Straßenopfer belegen.