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Süßwasser-Röhrenkrebs (Chelicorophium curvispinum)

Aktualisiert am: 27.03.2023
EU-Code:

Süßwasser-Röhrenkrebs (Chelicorophium curvispinum)
Süßwasser-Röhrenkrebs (Chelicorophium curvispinum)
© Foto: J. Bäthe

Aussehen und Verwechslungsmöglichkeiten

Chelicorophium curvispinum ist ein bis zu 9 mm großer Röhrenkrebs (Crustacea, Amphipoda) der Familie Corophiidae mit oft gelblicher Farbe und dunkelbraunen Streifen bzw. Flecken (Eggers & Martens 2001, Schellenberg 1942). Sein zweites Antennenpaar ist lang und kräftig ausgebildet. Eine Verwechslung mit Chelicorophium robustum, einer weiteren invasiven Art der Gattung Chelicorophium, welche erstmals 2003 in Deutschland nachgewiesen wurde, ist möglich. C. robustum unterscheidet sich von C. curvispinum durch einen deutlichen Zahn am letzten Glied des Stiels (Pedunculus) des zweiten Antennenpaares. Bei C. curvispinum ist dieser nicht vorhanden bzw. nur sehr kurz ausgeprägt (Eggers & Martens 2004).

Biologie

Chelicorophium curvispinum ist primär ein aktiver Filtrierer, vermag sich aber auch als Sedimentfresser zu ernähren. Plankton und Detritus zählen zu seinem Nahrungsspektrum (Eggers & Martens 2001). Innerhalb eines Jahres vermag diese reproduktionsstarke Art mehrere Generationen hervorzubringen. Da sie eine Wassertemperatur von 12 bis 20°C für die Reproduktion präferiert, erstreckt sich die Hauptreproduktionszeit auf die Monate von April bis Oktober (Musko 1992, Nehring & Leuchs 1999). Der Röhrenkrebs gilt als nachtaktiv. Tagsüber verweilt er meist im Schutz von Steinen, Holz oder ähnlichen Substraten. Er baut Wohnröhren in zum Teil dichten Ansammlungen auf festem Substrat (Holz, Steine, Muscheln, Wasserpflanzen). Die Wohnröhren baut er mithilfe seiner Antennen und Spinndrüsen aus feinen Sedimentpartikeln und Schwebstoffen. Der Süßwasser-Röhrenkrebs wird als salztolerant eingestuft. Er verträgt bis zu 6 °/°°Salzgehalt (Herbst 2000, Herbst & Bäthe 1993, Nehring & Leuchs 1999).

Herkunft und Einwanderungsweg

Aus der pontokaspischen Region stammend wanderte Chelicorophium curvispinum vermutlich erstmals über die Flüsse Dnjepr, Pripjet, Bug, Weichsel, Warthe und weiterführende Kanäle nach Deutschland ein (Pinkster 1978, Thienemann 1950). Eine zweite Einwanderungswelle erfolgte über die Donau (Eggers & Martens 2001). Im Jahr 1912 wurde die Art erstmalig im Müggelsee bei Berlin (Wunsch 1912) nachgewiesen. Seitdem verbreitet sie sich ungehindert über Fließgewässer und Kanäle im bundesdeutschen Gebiet (Eggers & Martens 2008). Es wird davon ausgegangen, dass Chelicorophium curvispinum im Ballastwasser oder im Aufwuchs von Binnenschiffen Deutschland erreichte. Auch eine aktive Wanderung in Flüssen und Kanälen ist als Herkunftsursache nicht auszuschließen (Reinhold & Tittizer 1997).

Lebensraum

Der Röhrenkrebs kommt in Flüssen, Kanälen, Seen und Ästuaren vor. Er toleriert erhöhte Salzgehalte und besiedelt daher auch Teile der Nord- und Ostsee. Bevorzugt werden jedoch Flüsse mit geringer Strömung. Dort besiedelt er vor allem die als Ufersicherung eingebauten Steinschüttungen.

Verbreitung in Nordrhein-Westfalen

Seit 1987 ist dieses Neozoon im Rhein verbreitet (Eggers & Martens 2001). Die Besiedlung erfolgte dementsprechend schon vor Eröffnung des Main-Donau-Kanals. Daher liegt eine Ansiedlung über Elbe, Mittelland- und Dortmund-Ems-Kanal nahe (Tittizer 1996). 1998 dominierte Chelicorophium curvispinum die Faunengesellschaft auf Steinen im Rhein. Teilweise wurden Individuendichten von mehr als 100.000 Ind./m² erreicht (Nehring & Leuchs 1999). 2001 nahm die Individuendichte vermutlich aufgrund von Konkurrenzdruck durch andere invasive Arten wieder ab (van Riel et al. 2006). Eine stark mit Chelicorophium curvispinum konkurrierende Art ist u.a. der Große Höckerflohkrebs Dikerogammarus villosus. Aus nordrhein-westfälischen Gewässerabschnitten liegen Nachweise des Süßwasser-Röhrenkrebses seit mindestens 1992 aus der Lippe (Sommerhäuser et al. 2009) und mindestens seit Ende der 1990er Jahre aus dem Datteln-Hamm-Kanal, der Ems, dem Dortmund-Ems-Kanal, dem Mittelland-Kanal, dem Osnabrücker Stichkanal, dem Rhein-Herne-Kanal, der Ruhr und dem Wesel-Datteln-Kanal vor (LANUV 2013). Auch die nordrhein-westfälischen Abschnitte der Weser sind spätestens seit 2000 von Chelicorophium curvispinum besiedelt (Bundesanstalt für Gewässerkunde 2000). Im Xantener Altrhein wurde der Röhrenkrebs Chelicorophium curvispinum im Jahr 2010 nachgewiesen. Im System der Wupper fehlt der Röhrenkrebs bislang (van den Boom 2009).

Eine weitere Ausbreitung in Nordrhein-Westfalen in den kommenden Jahren ist anzunehmen.